Warum gibt es Homophobie?

von | 24. Sep 2021

Wurdest du aufgrund deiner Homosexualität schon einmal beschimpft oder gar Opfer körperlicher Gewalt? Hat man dich aufgrund deiner sexuellen Orientierung ausgegrenzt oder sonst in einer Form diskriminiert? Dann bist du Opfer von Homophobie geworden. Aber selbst wenn du das Glück hattest bisher davon verschont geblieben zu sein zu sein, kennst du vielleicht jemanden in deinem Bekanntenkreis oder aus Medienberichten, der so etwas erlebt hat. Warum aber gibt es überhaupt Homophobie und was genau ist das?

Was ist Homophobie?

Das Wort Homophobie ist leider unglücklich gewählt und trifft den Kern der Sache nicht ganz. Bei einer Phobie handelt es sich um eine Angststörung, die in aller Regel irrational ist und dessen Angstsymptome nicht kontrollierbar sind. Eine der bekanntesten Phobien ist die Arachnophobie, also die Angst vor Spinnen. Menschen mit dieser Phobie empfinden echte körperliche Angstsymptome ohne dass sie Einfluss auf ihre Entstehung haben. Bei der Homophobie spielt Angst zwar auch eine Rolle, aber die Angst vor Homosexuellen löst bei homophoben Menschen in der Regel keine körperlichen Panikattacken aus. Homophobe Menschen spüren eher Ablehnung als Angst. Ein besserer Begriff wäre also Homofeindlichkeit.

Ausprägungen und Ursachen von Homofeindlichkeit

Homofeindlichkeit zeigt sich auf unterschiedliche Art und Weise. Durch die Medien am bekanntesten sind Menschen, die verbal oder körperlich auf homosexuelle Menschen losgehen. Homofeindlichkeit bedeutet aber nicht automatisch, dass aggressives Verhalten vorliegen muss. Viele empfinden einfach nur Ekel, bei dem Gedanken an zwei Männer oder Frauen, die sich küssen oder intim miteinander werden, bringen das aber nicht zum Ausdruck. Die wohl am weitesten verbreitete Form der Homofeindlichkeit ist die kognitive Homofeindlichkeit . Dabei lehnen Menschen homosexuelle Menschen ab, aufgrund unvollständiger oder falscher Schlussfolgerungen in Bezug auf deren Lebensstil. Ein gutes Beispiel hierfür ist ein Interview des CDU-Politikers Friedrich Merz, der Homosexualität mit Pädophilie in Zusammenhang gebracht hat. Man spricht hier von einer kognitiven Verzerrung. Das Problem dieser Verzerrungen ist, dass sie nicht mehr hinterfragt oder auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden und sich somit festgesetzt haben.

Ursachen für die Entstehung von Homofeindlichkeit sind vielfältig, aber mittlerweile recht gut erforscht. Dabei treffen die meisten Gründe aber gar nicht exklusiv auf die Homofeindlichkeit zu, sondern gelten für jede Art der Diskriminierungen gegenüber Minderheiten. Mögliche Einflussfaktoren sind unter anderem ein niedriger Bildungsstand, das soziale Umfeld, die kulturelle Umgebung, die Erziehung sowie Projektionen.

Erziehung als Hauptursache für Homofeindlichkeit

Die Erziehung spielt eine sehr große Rolle beim Thema Homofeindlichkeit . Früher wurde Homosexualität als psychische Störung klassifiziert und sexuelle Handlungen zwischen Männern standen in Deutschland sogar lange unter Strafe (§175). Solche Regeln lenken die Wahrnehmung der Menschen über bestimmte Themen und setzen sich in den Köpfen einer ganzen Gesellschaft fest. Dies wird dann an nachfolgende Generationen weiter gegeben. Das Fatale daran ist, dass die meisten Menschen durch ihre Erziehung eine Ansicht über Homosexuelle erlangen, ohne dass sie jemals einen kennengelernt haben. Es ist also im Prinzip auch die Angst vor dem Unbekannten, die so ein Bild fördert.

Das soziale und kulturelle Umfeld prägt am stärksten

Das Aufwachsen in einem kulturellen Umfeld, welches Homosexualität per se ablehnt (z.B. aus religiösen Gründen) fördert Homofeindlichkeit mit am stärksten. Menschen organisieren sich in Gemeinschaften und tun alles dafür, dazuzugehören bzw. nicht ausgeschlossen zu werden. Besteht in so einer Gemeinschaft bereits eine Ablehnung gegenüber Homosexuellen, so wird das von neuen Gemeinschaftsmitgliedern übernommen, um dazuzugehören. Hier ist wieder das Phänomen der kognitiven Verzerrung am Werk. Es wird selten hinterfragt, ob die Thesen über Homosexualität, die in solchen Gemeinschaften kursieren der Realität entsprechend. Ganz oft ist es auch einfach so, dass jegliche Begründungen zu den negativen Ansichten fehlen und dies auch nicht bemerkt wird.

Ein niedriger Bildungsstand fördert Homofeindlichkeit

Mehrere Studien haben mittlerweile nachgewiesen, dass Diskriminierung von Minderheiten stark mit dem Bildungsstand sowie den kognitiven Fähigkeiten korreliert. Nicht jeder Mensch mit geringer Bildung ist automatisch homofeindlich . Aber Studien deuten darauf hin, dass Menschen mit niedrigem Bildungsstand eher dazu tendieren, andere Menschen abzuwerten. Das ist eine Art soziale Überlebensstrategie. Die Realität ist zu komplex, als dass wir diese in ihre Gänze vollständig erfassen und verstehen könnten. Daher vereinfacht unser Gehirn unsere Umwelt, damit die Illusion der Kontrolle und des Begreifens entsteht. Lücken füllt das Gehirn automatisch mit Wahrscheinlichkeiten auf. Es entsteht eine nahtlose Geschichte, die unsere Realität und damit unsere eigene Wahrheit ausmacht. Bei bildungsschwächeren Menschen kann sich das Gehirn nur aus einem viel kleineren Repertoire an möglichen Lückenfüllern bedienen. Wenn diese Menschen dann auch noch in einem sozialen oder kulturellen Umfeld aufgewachsen sind, welches eh schon durch Homofeindlichkeit geprägt ist, werden diese feindlichen Ansichten zur Komplettierung der eigenen Geschichte herangezogen. Zudem suchen wir Menschen stets nach Statuserhöhung, um uns in unserem gesellschaftlichen Umfeld behaupten zu können. Die einfachste Methode hierfür, ist andere Menschen abzuwerten, um sich selbst über diese zu stellen. Dadurch erhält unsere eigene Geschichte mehr Relevanz.

Projektion zum Abwehren homosexueller Neigungen

Das psychologische Phänomen der Projektion kann eine weitere Ursache für Homofeindlichkeit sein. Bei einer Projektion handelt es sich um einen Abwehrmechanismus bei dem eigene (meist unerwünschte) Gefühle und Wünsche einer anderen Person zugeschrieben werden. In Bezug auf Homofeindlichkeit kann es also sein, dass ein Mensch selbst homosexuelle Neigungen hat, diese aber an sich unbewusst ablehnt, z.B. weil dies unvereinbar mit seinem Umfeld wäre. Diese Ablehnung wird dann in andere Homosexuelle projiziert und es entsteht Homofeindlichkeit. Das bedeutet aber nicht, dass jeder homofeindliche Mensch selbst homosexuelle Neigungen besitzt. Wie gesagt, sind die Gründe vielfältig und dies ist nur eine von vielen möglichen Ursachen.

Zusammenfassung

Am Ende des Tages gibt es keine Einzelursache für Homofeindlichkeit . Es ist vielmehr eine Kombination mehrerer Faktoren und hängt vor allem mit dem sozialen und kulturellen Umfeld zusammen, in dem jemand aufgewachsen ist. Ein niedriger Bildungsstand und geringe kognitive Fähigkeiten fördert zudem diskriminierendes Denken über Minderheiten. Projektionen zur Abwehr homosexueller Neigungen können ein weiterer Faktor sein.

Was können wir gegen Homofeindlichkeit tun?

Verständnis zeigen. Das mag zunächst absurd klingen, aber Menschen mit homofeindlichen Neigungen handeln auch nur gemäß ihrer eigenen sozialen und kulturellen Prägung. Anstatt dem Thema mit Unverständnis und Gegenhass zu begegnen, können wir uns in deren Lage versetzen und dürfen akzeptieren, dass diese Menschen nicht anders können, weil sie sonst ihre eigenen Werte verraten würden. Und ich warne vor dem Gedanken „Meine Werte sind besser als die der anderen„. Das wäre nämlich auch kognitive Verzerrung.
Im nächsten Schritt ist Aufklärungsarbeit angesagt. Je mehr Wissen über das Thema Homosexualität und Homofeindlichkeit verbreitet wird, desto einfacher wird es für jeden Einzelnen seine eigenen verzerrten Ansichten zu hinterfragen und zu korrigieren.

Die Gesellschaft wird sich weiterentwickeln

Die Gesellschaft entwickelt sich stetig weiter. Gerade jüngere Generationen hinterfragen immer mehr die Ansichten ihrer Eltern und Großeltern und sind aufgeschlossener und toleranter gegenüber solchen Themen. Daher wird Homofeindlichkeit in der Zukunft kontinuierlich abnehmen. Bis eine gänzliche Akzeptanz gegenüber Homosexualität herrscht wird es aber vermutlich noch etliche Generationen brauchen, da vor allem in vielen Kulturen und Religionen die Ablehnung gegenüber Homosexualität sehr tief verwurzelt ist. Aus diesem Grund ist es nach wie vor wichtig, für Sichtbarkeit und Aufklärung zu sorgen. Die beste Methode für jemanden, der eine Ablehnung gegenüber Homosexuellen hat ist sowieso einfach mal mit uns in Kontakt zu kommen nur um festzustellen, dass wir eben auch ganz normale Menschen sind.

Dieser Artikel ist in Anlehnung an diesen Beitrag entstanden und erhebt keinen wissenschaftlichen Anspruch.

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